Orthografie

Zehn Thesen zu einer neuen deutschen Rechtschreibung

Ziel dieser Thesen ist es, die Schreibung der neuhochdeutschen Standardsprache so zu reformieren, dass sowohl das fehlerfreie Schreiben als auch das Lesen für jeden durchschnittlich Sprachbegabten möglich sei, somit die Beseitigung der jetzigen untragbaren Situation, an der auch die aktuelle halbherzige Reform wenig ändern konnte.

(Nachbemerkung: Eine erweiterte Fassung meines Reformansatzes findet sich neben zwei weiteren hier.)

Hierfür gelten folgende Prämissen:

  • Die Reform soll auf das bestehende Zeicheninventar zurückgreifen, um kostenintensive Umstellungen zu vermeiden (also keine Zeichen wie <š> für <sch>, die sich nicht auf deutschen Tastaturen finden).
     
  • Die reformierte Schreibung soll ohne viel Umgewöhnung adaptiert werden können, d.h. Zuweisungen von Graphen an neue Lautwerte sind zu vermeiden (also nicht <x> als neues Zeichen für <sch>).
     
  • Zur Erhöhung der Akzeptanz sollen sich die Neuregelungen möglichst aus der deutschen Orthografiegeschichte begründen lassen.
     
  • Die phonematische Schreibweise hat Vorrang.

Daraus ergeben sich folgende Neuregelungen:

  1. Abschaffung überflüssiger Buchstaben(kombinationen): v, x, y, q, th und ph fallen weg, c bleibt allein in Digraphen (<ch> für [x, ç], <sc> für [ʃ], <cz> für [tʃ], <nc> für [ŋ] <cj> für [ʒ]) erhalten, z wird als Affrikate ebenfalls beibehalten. Rein grafische Doppelkonsonanz entfällt (kippen > kipen, von > fon, quatschen > kwaczen, singen > sincen, platzen > plazen, syn- > sün-)
     
  2. Vokalische Allographe entfallen, Kurzvokal wird einfach, langes i e a o u durch Zirkumflex (wie im Mittelhochdeutschen), jedoch langes ü ä ö wird üh, ä(h) bzw. öh geschrieben. /aj/ wird in allen Fällen durch <ei>, /oj/ durch <eu> bezeichnet (hier > hîr, los > lôs, hüten > hühten, käsig > kä(h)sig, häuten > heuten, kaiserlich > keiserlich).
     
  3. Jedem Graphem oder Digraphen ist i.d.R. ein Phonem zugeordnet. Stimmloser Sibilant wird durch <ß>, stimmhafter durch <s> bezeichnet, aber nur dort, wo eine Unterscheidung in echtdeutschen Wörtern nötig ist (d.i. im Inlaut zwischen Vokalen). <e/ê> steht für das Phonem /e(:)/ ([ε, e:]), <ä(h)> für das davon herkunftsverschiedene /ε:/. Der einfache Graph <e> wird aus praktischen Gründen auch für den Neutralvokal verwendet. <sch> und seine Allographen werden zu <sc> vereinheitlicht (Schoß > scôß (§4), spielen > scpîlen).
     
  4. Die Auslautverhärtung wird nicht notiert, wenn sie synchron klar als solche erkennbar ist (êr wird nach werden, dêr tâg nach Gen. tâges). In synchron nicht entscheidbaren Fällen (Partikeln etc.) wird phonetisch geschrieben (und > unt, weil nur historisch entscheidbar).
     
  5. Der Einheitlichkeit halber wird das morphematische Orthografieprinzip im Auslaut für Konsonanten beibehalten, z.B. grôß nach dem obliquen Stamm grôßen. Als Leitformen gelten jeweils der Nominativ Plural (Nomina) bzw. die 1. Person Plural (Verben).
     
  6. Homonyme werden auch als Homographe geschrieben, die künstliche Trennung ist unnötig (Stil/Stiel > sctîl).
     
  7. Groß werden nur noch Satzanfänge und substantivische Eigennamen geschrieben.
     
  8. Kommata werden nach den tatsächlichen Pausen der fließenden Rede gesetzt (also in etwa wie in der jetzigen Regelung), ebenso erfolgt die Worttrennung ausschließlich nach Sprechsilben.
     
  9. Die Getrennt- bzw. Zusammenschreibung in Verbalformen orientiert sich ebenfalls an der 1. Person Plural (ühbersezen zu wîr ühbersezen, aber ühber sezen zu wîr sezen ühber).
     
  10. Wo man die deutschen Sonderzeichen ä ö ü ß nicht verwenden kann, schreibe man ae oe ue ss.

Von den sechs Orthografieprinzipien sind also das morphematische, grammatische, historische, lexikalische und ästhetische Prinzip zugunsten des phonematischen gänzlich oder zum Teil eliminiert worden, die Anzahl der Mehrgraphen wurde deutlich reduziert, Allographe fast völlig beseitigt.

Zwei Beispieltexte sollen das Gesagte veranschaulichen:

Des sclendriâns macht ist rîsengrôß: / Macht himelskrefte wirkuncslôs.
Erfaßen dî blöhden nicht feinere geister, / Sô sint sî doch im scpoten meister.
Im herzen kelte, im scähdel dunst - / Das ist dêr scpöter ganze kunst.
Wen dî hähne auch nicht krähn, / Wird man´s früh doch tâgen sên. (J. M. Schleyer)

Bedeke deinen himel, Zeuß, / Mit wolkendunst!
Unt ühbe, dêm knâben gleich, dêr disteln köpft, / An eichen dich unt bergeshöhn!
Mußt mir meine êrde/ Doch laßen sctên.
Unt meine hüte,/ Dî dû nicht gebaut,/ Unt meinen hêrd,/
Um deßen glût/ Dû mich beneidest. (Goethe, Prometheus)